Auf den Spuren des Mühldorfer Todeszugs

Am Mittwoch, den 27.04.22 fand die gut besuchte Jahreshauptversammlung des Dorfforums Mittergars statt. Nach der Begrüßung durch Max Voglmaier hat Franziska Schweiger-Hubl berichtet, dass im vergangenen Jahr coronabedingt leider viele Veranstaltungen ausfallen mussten, wie z.B. die Couplet AG, das Kinderprogramm und der Schafkopfkurs. Umso erfreulicher war es, dass 12 Dienstags-Wanderungen mit durchschnittlich 31 TeilnehmerInnen stattfinden konnten. 

Besonders erschüttert hat die gesamte Vorstandschaft der Tod von Hannes Hofmann im August 2021. Er war acht Jahre beim Dorfforum aktiv und wurde von Allen sehr geschätzt. Turnusgemäß schieden in diesem Jahr Franziska Schweiger-Hubl und Fritz Gottwald aus der Vorstandschaft aus. Beide wurden einstimmig wiedergewählt. Der Kassenbericht wurde von Sylvia Trautbeck vorgestellt. Nach bereits vorab erfolgter Prüfung durch Roland Thanhäuser und Michaela Obergrußberger wurde die Vorstandschaft von den Anwesenden entlastet. 

Nach einem Grußwort von Joachim Kraus, dem dritten Bürgermeister, hat Max Voglmaier zu dem Thema des Abends ‚Der Mühldorfer Todeszug‘ übergeleitet. Eindrucksvoll hat er von verschiedenen Informationsfahrten zu KZ-Gedenkstätten mit dem Verein ‚Für das Erinnern‘ berichtet. Seit seiner Kindheit haben ihn die Gräueltaten im Dritten Reich beschäftigt. 

Das KZ Außenlager Mittergars lag ca. 300 Meter entfernt vom elterlichen Anwesen. Die Eltern mussten täglich mit einem Pferdefuhrwerk Wasser ins Lager fahren und haben erlebt, wie Häftlinge geschlagen und manchmal zu Tode gequält wurden. Weiter versteckten sie unter Todesangst einen Häftling, der geflohen war, mehrere Wochen auf dem Heuboden. Manchmal kam es auch vor, dass sie Tote mit dem Fuhrwerk ins Massengrab fahren mussten. Max Voglmaier dachte sich als Kind und auch später immer ‚Wie können Menschen so grausam sein.‘

Anschließend wurde der Film ‚Der Mühldorfer Todeszug‘ von Beatrice Sonhüter mit dem überlebenden Leslie Schwartz und dem Schülerteam des Gymnasiums Markt Schwaben gezeigt. Der erst 14-jährige Leslie Schwartz wurde am 25. April 1945 gemeinsam mit 300 Mitgefangenen zum Bahnhof Mettenheim getrieben und dann mit weiteren 3300 Mühldorfer KZ-Gefangenen in 60 Güterwaggons unter unmenschlichen Bedingungen und mit unbekanntem Ziel in Richtung Süden verfrachtet. Sehr eindrucksvoll und berührend zeigt dieser Film die Recherchen der SchülerInnen zu den verschiedenen Stationen des Todeszugs verbunden mit den Erinnerungen von Leslie Schwartz. 

Leslie Schwartz war der jüngste Häftling im Lager Mittergars. Er hat überlebt, weil er sich in Auschwitz zu den Arbeitsfähigen stellte. Seine Familie wurde dort ausgelöscht. 1946 wanderte er zu Verwandten nach Amerika aus. Erst im Alter von 80 Jahren kehrte er nach Deutschland zurück, um seine traumatischen Erlebnisse aufzuarbeiten. Im Jahr 2019 verstarb er im Alter von 89 Jahren. 

Nach dem Film nutzten noch einige BesucherInnen die Möglichkeit, mit Franz Langstein, dem Vorsitzenden des Vereins ‚Für das Erinnern‘ zu diskutieren. Es war ein Abend, der sehr nachdenklich gemacht und die Seele berührt hat. Daraus erwächst Kraft und Mut, dem leider wieder stark zunehmenden Antisemitismus entgegen zu treten.                                

Leslie Schwartz beim Besuch des KZ-Außenlagers Mittergars 2010